Stellungnahme zu Haushaltssatzung und Haushaltsplan 2023

Fraktion der Freien Wähler im Stadtrat der Stadt Philippsburg

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Martus,

liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, sehr geehrte Mitglieder der Verwaltung, des Gemeinderates und der Ortschaftsräte!

Ausgangslage

Die letzten Jahre führten uns in überraschende Krisen internationaler Tragweite. In weltweiter Anstrengung wurden Impfstoffe gefunden. Aber Sicherheiten gehören der Vergangenheit an. Jetzt unterbricht der Krieg die Lieferketten. Für uns noch in ein kalter – für die Ukraine ein heißer Krieg. Nach Ausgangssperre droht Frieren im Winter. Energie, besser Strom und Wärme ist knapp. Unsere nationalen Gasspeicher gehören überraschender Weise Russland und müssen enteignet werden. Inflation frisst die Lohnsteigerungen und verdoppelt die Lebenshaltung. Sich Sorgen machen ist keine deutsche Mentalität, sondern für viele Realität. Den Gürtel müssen die meisten enger schnallen. Weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Aber besser als Krieg.

Wer steuern will – muss wissen wo er steht.

Weltweit läuft ein Experiment im vergleichenden Regieren. Welches System, welche Regierung (welche Kommune) kann in diesem Chaos solide steuern? Wer kommt wie durch die Krisen ? Die Auseinandersetzung der politischen Blöcke macht uns hoffentlich eines klar. Amerika steht uns näher als Putin.

Europa hat sich gestärkt. Europa hat Marktmacht, wie wir beim europaweiten Einkauf von Gas sehen. Aber -äußere und innere -Sicherheit wird uns auch in Deutschland zukünftig mehr kosten. Vom Militär über die Polizei bis zum Katastrophenschutz – siehe Ahrtal. Deshalb ist auch der Feuerwehrbedarfsplan mit Notstromkonzept gut ausgerichtet und die Investitionen wichtig.

Die Sprache unserer Regierung wirkt zwar kindlich. Aber mit Wumms, Doppel-Wumms und Bazooka – beweist sich die Marktwirtschaft-  als sozial. Nicht nur in der Pandemie – auch in der Energie. Die Steuereinnahmen aus Wirtschaft und Arbeitsmarkt ermöglichen Rettungsschirme und Entlastungspakete – für die Wirtschaft, die Kommunen und die Menschen. Sicher gibt es viele Probleme. Aber – überfallen von Krisen und unter hohem Zeitdruck hat die Regierung (unser Land) hervorragendes geleistet. Die Ratingagenturen vergeben die Höchstnote für Stabilität. Grund für Vertrauen in die eigene Stärke. Allerdings sind die Prüfer vermutlich noch nicht mit der deutschen Bahn gefahren…

Laut den „Wirtschaftsweisen“ kommen wir mit einem blauen Auge und Wachstum aus der Gefahr der Rezession oder wie Finanzminister Lindner sagt – wir schaffen mit breiter Bremsspur bis 2024 hinein ein „soft landing“. Allerdings – auf Privathaushalte gesehen, sind Rettungspakete unnötig – für Reiche. Sie sind notwendig für Geringverdiener und zu wenig für Arme. Mancher Laden würde sich freuen, wenn sich die Kundschaft verdoppelt. Der Tafelladen in Philippsburg freut sich weniger. Die Anträge haben sich verdoppelt und die Waren fehlen.

Unser Haushalt stabilisiert sich.

Auch der Gemeinderat ringt um seinen Kurs in schwierigen Zeiten. Um geplant steuern zu können, müssen wir wissen, wo wir stehen. Gerade weil ungeplante Situationen „städtischer Tragweite“ auftreten. Da brennt ein Gymnasium, Hebewerke fallen aus, Flüchtlinge brauchen Unterbringung, 500.000 Euro zusätzlich an Energiekosten. Millionenbeträge, für die wir trotzdem keine Kredite, keine Schulden aufnehmen. Die BNN wundert sich (15.12.22) über unsere trotzdem „auffallend hohe Liquidität“.

Verzeihen Sie mir die banale Betrachtung – unser Sparbuch könnte über Jahre unser jährliches Minus im Ergebnishaushalt von 1 – 2 Millionen Euro aushalten. Sein Vermögen zu verbrauchen wäre natürlich nicht nachhaltig. Wir sehen, wir haben keine Rettungsschirme. Aber wir können kurz- und mittelfristig zusätzliche Belastungen verhindern. Weiter sehr niedrige Verbrauchsgebühren für Wasser und Abwasser halten und erschwinglichen Wohnraum fördern. Wohneigentum ist für die meisten die eigentliche Rente. Als Freie Wähler sind wir dafür, das Aufkommen an Grundsteuer neutral zu halten.

Anträge der Freien Wähler und von uns mitgetragene Maßnahmen zur Verbesserung unserer Finanzen greifen. Dabei nähern sich Einnahmen und Ausgaben bis 2026 an.

Die Gewerbesteuer wurde angehoben und die Elternbeiträge in der Kinderbetreuung steigen moderat. Mit Zuweisungen und Steuern ist unsere Einnahmeseite mittelfristig stabil, gut und steigend. Auch unsere Betriebe kommen besser als befürchtet durch die Krise. Bei Vollbeschäftigung und Fachkräftemangel verdoppelt sich die Gewerbesteuer mit ca. 7 Millionen Euro sogar auf das Niveau der Einkommensteuer. Wenn auch im HH 2023 nur 4,2 Millionen eingestellt sind. Dabei wachsen Gewerbebereiche wie der Industriepark Philippsburg (Goodyear) und das Kasernengelände erst auf. Gleiches gilt für die Inbetriebnahme des Konverters.

Es geht also um die Ausgaben. Unsere Ausgaben sind nicht nur gesetzliche Pflichtaufgaben. Aber es sind Ausgaben, die der Gemeinderat als seine Pflicht ansieht.

Es sind Ausgaben, die in jeder Gemeinderatssitzung vorgeprägt und in der Haushaltsberatung (unter Beteiligung der CDU) abgewogen und meist einstimmig entschieden wurden. Der Haushaltsplan ist die Basis für das kommunale Handeln. Auch im Folgejahr wird er Seite für Seite umgesetzt (unter Beteiligung der CDU). Mit der heutigen Sitzung nehmen wir die gemeinsame Planung an und bereiten die Schritte in die Zukunft vor. Das ist demokratisch entstanden. Sich in den Ratssitzungen zu beteiligen und den Haushaltsplan mit zu erstellen – ihn dann seit Jahren und auch heute als Ergebnis abzulehnen, ist machbar. Wir halten es aber für undemokratisch.

Etwa 20 Millionen Euro gehen in die Modernisierung unserer lebensnotwendigen oder sozial notwendigen Infrastruktur. Das ist nachhaltig und generationengerecht.

Wir haben keine marode Stadt und wir übergeben keine marode Stadt. Dank unserem Bauamt, Bauhof, Hoch- und Tiefbau wird über und unter der Erde ständig modernisiert. Auf dem Zettel stehen Wasser, Abwasser, Straßen, Beleuchtung, Digitalisierung, Brand- und Katastrophenschutz, Kindergärten und Schulen, Nahversorgung, Ansiedelung von Ärzten, Sanierungsgebiete, Jugendzentren, Seniorenzentren, Aufenthaltsqualität in allen den Stadtteilen. Wenn auch insbesondere die Kernstadt sauberer sein könnte. Aber das ist eher ein Integrationsanliegen. Um diese unvollständige Liste zu gewährleisten, bedarf es einer leistungsstarken Verwaltung, auch im Sozialbereich. Gut angelegte 9 Millionen Euro. Aber – Verwaltung ist ein umkämpfter Arbeitsmarkt und Personal Mangelware. Die Hälfte unseres Personals ist über 50 Jahre alt. Es gilt nicht nur Personal auszubilden, sondern auch zu halten.

Vorgeprägte Aufgaben – unklare Ausgaben – in allen Stadtteilen.

Durch Corona und Krieg trat die Klimakatastrophe in den Hintergrund. Aber Physik bleibt, auch wenn man keine Klassenarbeit mehr schreibt. Hilfe von außerhalb ist nicht zu erwarten. Also von außerhalb der Erde. Auch der Landkreis hilft nur zäh. Gemeinsam haben wir mehrere Planungsbüros beauftragt. Erarbeitet wird ein kommunales Energiemanagement aller Liegenschaften. Weil wir nicht nur kurzfristig, sondern grundsätzlich Energie sparen müssen. Vor dem Sparen steht investieren. Am Schulzentrum soll eine zentrale Energieversorgung entstehen (Energiequartier Campus). Wer alles am Wärmenetz teilnimmt, ob der Freyer-See mit Wärme oder Photovoltaik eine Rolle spielt – offen. Ob ein Heizwerk mit heimischem Holz betrieben wird? Offen. Investitionskosten? Offen. Wir gehen nicht davon aus, dass der Umweltbereich personell ausreichend besetzt ist.

Vieles gelingt aber bespielhaft.

Im Stadtteil Rheinsheim dürfen wir die erfolgreichen Sanierungen an Straßen, Wegen und Plätzen sehen. Von Bahnhof bis Dom sind öffentliche Gebäude wieder schmuck und funktional. Im alten Rathaus entstand eine barrierefreie Arztansiedlung. Die Nahversorgung wurde rings um das „Löwenprojekt“ gefördert. Ein Leuchtturm der Bürgerbeteiligung und ein Aushängeschild Philippsburgs. Das alte Feuerwehrhaus wird mit 100.000 Euro durch den Gemeinderat gefördert und dem DRK überlassen werden.

Im Stadtteil Huttenheim stehen zahlreiche Sanierungen an. Das Feuerwehrhaus und die Raiffeisenbank wurden abgerissen. Es entsteht ein Seniorenzentrum. Es fehlt ein Sanierungskonzept für das alte Rathaus und das Bürgerhaus. Es ist nicht entschieden, wie die Ansiedelung eines Arztes oder die Nahversorgung gefördert wird.

Die Planungen für einen Platz der Vereine an der Bruhrainhalle laufen. Fraktionsübergreifend unstrittig, ist der Bestand der Grundschulen und der Kindergärten in den Stadtteilen. In diesem Sinne bleibt die Kirche im Dorf. Aber wird das große Schulgebäude bedarfsgerecht saniert oder vielleicht zusammen mit dem Kindergarten neu gebaut? Wird das Schulgebäude für Wohnungsbau abgerissen oder für Vereine saniert? In jedem Falle zweistellige Millionenbeträge.

Konzepte und Kosten offen – aber die Sanierungsprogramme laufen zeitlich ab. Es besteht aktueller Handlungsbedarf.

Beim Stichwort Kirche – mit Ausnahme der Kirchen selbst, ist die Zukunft nahezu aller kirchlichen Liegenschaften offen. Auch hier liegt das problematischste Gebäude in Huttenheim. Auch kirchliche Gremien, von den Ministranten über die Bibelstunde bis zum Pfarrgemeinderat – brauchen – wie unsere Vereine – auch in Zukunft Räumlichkeiten.

In diesem Zusammenhang regen wir eine fachlich moderierte Konferenz der Vereine bzw. örtlichen Nutzer an, um die Bedürfnisse zu erfahren und einzuordnen. In der Kernstadt hat dieses Verfahren ja gute Ergebnisse gebracht.

Größtes Wagnis

Neben Krisen und Katastrophen sind es weniger äußere Einflüsse, die uns schnell unsere finanziellen Reserven kosten, als Projekte, die im Vorfeld einer Kommunalwahl beschlossen werden und uns auf Jahrzehnte binden. Brennt dann eine Schule müssen Schulden gemacht werden. Ist der Haushalt dann nicht ausgeglichen, wird die Gemeinderatsarbeit einfacher. Weil das Landratsamt entscheidet. Es gibt gute Gründe 2023/2024 keine übermotivierten (Wahl-) Projekte aus der Taufe zu heben. Dafür gibt es Beispiele. Aus den Planungen für einen 8-Gruppen Kindergarten Erlenwiesen realisiert sich der Antrag der Freien Wähler auf einen Naturkindergarten. Inzwischen hat sich allerdings die Bedarfsprognose deutlich verkleinert. Unabhängig davon, hat uns der durch die CDU gesehene Bedarf an einem zweisprachigen Kindergarten mit Übernachtungsmöglichkeit nicht überzeugt. Wir sehen den Bedarf in einer Grundschulreife mit deutschen Sprachkenntnissen.

Gut beraten waren und sind wir im Einklang mit den Schulleitungen mit der dezentralen Digitalisierung der Klassenzimmer. Nicht überzeugt hat uns der durch die CDU eingebrachte Vorschlag für ein EDV-Schulungszentrum mit integrierter Bibliothek. Wäre das Gebäude auf dem roten Platz entstanden, wäre dort heute kein Platz für den eventuellen Neubau eines Schwimmbades.

Ob wir für den Neubau eines Schwimmbades mit oder ohne Hallenerweiterung unsere Handlungsfähigkeit von ca. 18 Millionen einsetzen, muss gut überlegt sein. Muss sehr gut überlegt sein.

Es ist unangenehm – aber angesichts unserer Aufgaben geht nicht alles.  In 2023/2024 können wir uns nur die Aufrechterhaltung des Betriebs und Planungen vorstellen, die in einem ausgeglichenen Haushalt liegen.

Manche haben aber unseren Planungszettel umgedreht und schreiben auf die Rückseite – obwohl die Vorderseite nicht abgearbeitet ist.

Umweltpolitisch steht eines fest.

Man kann ja im Kreis laufen und gegen „Alles“ sein. Es wird aber nur mit „Allem“ gehen. Mit Windkraft z.B. auf der Rheinschanzinsel, mit Geothermie, mit Photovoltaik auf Freiflächen. Viele private Hausbesitzer haben nicht das Eigenkapital für Photovoltaik. Wir bitten die Verwaltung über Kommunen zu berichten, die private Dachflächen anmieten um Photovoltaik zu installieren. Stichwort Bürgerenergiegenossenschaft. Wir bitten die Verwaltung, mit der Regionalplanung Gespräche aufzunehmen, um Windkraft auf der Rheinschanzinsel zu ermöglichen und das ehemalige NATO-Tanklager renaturiert an den Landkreis oder uns zu übergeben. Außerhalb der Siedlungsfläche ist dort Tiefengeothermie vorstellbar.

In diesem Zusammenhang sehen wir kritisch, dass direkt an der B 35 an unserer Gemarkungsgrenze ein Geothermiekraftwerk entsteht, das Strom und vielleicht auch Wärme nach Graben-Neudorf, Bruchsal und Bretten bringt. Auch hier bitten wir die Verwaltung, interkommunal mit der Gemeinde Dettenheim und dem Regionalverband zu prüfen, inwieweit wir zu welchen Kosten in einen Netzausbau nach Philippsburg einsteigen können. Das wäre mal ein interkommunaler Schritt um das seit Jahren verfolge Ziel eines Gewerbegebietes jenseits der B 35 realisieren zu können.

Grund zur Dankbarkeit

Das Konjunkturprogramm des Bundes für 2022 lautete

„Gemeinsam durch die Krise, Corona-Folgen bekämpfen, Wohlstand sichern und Zukunftsfähigkeit stärken“.

Unsere Stadt insgesamt, vor allem unser städtisches Personal, unsere Blaulichtfraktionen (Feuerwehr/DRK/Polizei) und unsere Ehrenamtlichen in den Vereinen organisiert oder rein privat, haben gezeigt, dass wir Krisen standhalten.

Und ja, man muss sich für vermeintlich feste Wahrheiten entschuldigen. Zu Recht werden im Gemeinderat und in jeder Art von Bürgerinitiativen Sachthemen unterschiedlich beleuchtet.

So bitte ich auch diese Haushaltsrede zu verstehen.

Reden wir darüber zusammen. Mit den Bürgerinnen und Bürgern. In den Fraktionen.
Dafür bedanken wir uns bei den Kolleginnen und Kollegen der CDU, der ULI und der SPD unter ihren Fraktionsvorsitzenden Hans-Gerd Coenen, Peter Steinel und Jasminè Kirschner für die Zusammenarbeit.

Abschließend möchte ich mich bei den Freunden der Freien Wähler, der Fraktion und unserem Stadtverband unter Jochen Schulz sowie unseren Mitgliedern für ihre Unterstützung bedanken.

Uns allen wünschen wir eine Erfüllung unserer guten Hoffnungen – vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Fraktion der Freien Wähler
Peter Kremer

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