Aus der BNN vom 9. April 2015
Schweigendes Ministerium sorgt für Unmut
Stadt Philippsburg will Umweltverträglichkeitsprüfung für den Rückbau des Kernkraftwerkes
Von unserem Mitarbeiter Werner Schmidhuber
Philippsburg. Mit dem vorgesehenen Rückbau des Blocks I des Kernkraftwerkes ist die Stadt Philippsburg nicht einverstanden. Sie fordert mit Nachdruck eine ordentliche Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für das Standortabfalllager und das Reststoffbehandlungszentrum. Zudem gebe es noch viele offene Fragen, die noch ungeklärt in einer Stuttgarter Schreibtischschublader liegen. Warum eine „UVP“? Die EnBW Kernkraft hat beim Umweltministerium die Erteilung einer Stilllegungs- und Abbaugenehmigung beantragt. Für den Rückbau der kerntechnischen Anlagen ist eigentlich eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgeschrieben, betont die Stadt. Ungeachtet dessen hat die EnBW für den Bau des Standortabfalllagers und des Reststoffbehandlungszentrums einen Bauantrag gestellt.
Der Knackpunkt: Beide Anlagen sollen nach der „Strahlenschutzverordnung“ genehmigt werden. Mit diesem Verfahren sind kein UVP und auch sonst keine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgeschrieben. Ein Affront, das meinen Bürgermeister Stefan Martus und die weiteren Kommunalpolitiker vor Ort. Weder Verwaltung noch der Bürgermeister, weder die Gemeinderatsfraktionen noch die Parteien wollen dieses „sonderbare Sonderverfahren“ hinnehmen.
In einem erneuten Schreiben an das Umweltministerium wird die Philippsburger Position in deutlicher Form artikuliert. Zudem soll noch in einer Resolution der Unmut geäußert werden. Dort ist die Rede von unzureichenden Informationen und von fehlenden Aussagen zu den Emissionen, zu Lagerfristen für Reststoffe, zur Herkunft der zu bearbeitenden Stoffe. In aller Offenheit heißt es: Die Stadt und ihre Verantwortungsträger hoffen auf möglichst viele Einwendungen von Privatpersonen. Hierzu gibt es Hinweise, Tipps und Empfehlungen des städtischen Umweltamtes.
Ohne Umweltvertäglichkeitsprüfung können die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt nicht beurteilt werden, argumentiert die Stadt. Um das Mammut-Projekt eines erfolgreichen Rückbaus durchführen zu können, sind, wie es heißt, zwei Bauten auf dem KKP-Gelände erforderlich: ein Reststoffbearbeitungszentrum und ein Standort-Abfalllager. Beide zusammen nehme eine Fläche von etwas mehr als einem Fußballfeld ein. Im „Reststoffgebäude“ sollen beispielsweise Reststoffe zerlegt und verstrahlte Anlagenteile dekontaminiert werden. Im „ Abfalllager“ werden schwach- bis mittelradioaktiver Stoffe zwischengelagert, bis sie ins Endlager kommen.
Der Gemeinderat der Stadt Philippsburg hat bereits für die entsprechenden Bauanträgen der Gesellschaft für nukleares Reststoffrecycling sein Einvernehmen versagt. Nicht nur das, er will sich weiterhin vehement wehren. Antworten des Stuttgarter Ministeriums auf Fragen und Vorschläge des Stadt von Juli 2013 (!) und auf die mehrmaligen Forderungen der Stadt nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung liegen immer noch nicht vor, trotz allen Nachhakens, was inzwischen manchen Philippsburger Mandatsträger auf die Palme bringt, selbst den SPD-Fraktionsvorsitzenden Joachim Pöschel: „Das ist nicht die angekündigte Politik des Gehörtwerdens.“